Das Kernquadrat (core quality quadrant)

26. Oktober 2016 in Coaching, Sabine Lipski

102016_bild„Mein Kollege bringt mich auf die Palme – immer findet er etwas an meiner Arbeit, was nicht perfekt ist – und sei es das zweite Leerzeichen zwischen zwei Wörtern im Text. Ich halte das nicht mehr aus.“

Ein Beispiel von vielen ähnlichen Situationen an vielen Arbeitsplätzen. Irgendwann platzt der Kragen und der Streit ist da. Meist ändert er nichts, sondern vertieft die Gräben.
Im Coaching werden wir dann häufig gefragt: „Wie sage ich es anders? Wie schaffe ich es, dass meine Botschaft wirklich ankommt?“

In diesen Situationen setze ich gerne das „Kernquadrat“ ein, ein von dem Niederländer Daniel Ofmann in den 80er Jahren entwickeltes Modell, welches Kompetenzen und positive Eigenschaften eines Menschen in den Vordergrund stellt.

Ziel diese Modells ist es, ein gegenseitiges Verständnis füreinander zu fördern. Anstatt sich auf Schwächen und Fehler zu konzentrieren, stellt das Konzept die positiven Eigenschaften (Kernqualitäten) und Entwicklungspotenziale (Herausforderungen) eines Menschen in den Vordergrund.

Zurück zum Beispiel: Der Kontrollzwang des Kollegen nervt. Der Kontrollzwang der so genannte „Fallstrick“ tritt auf, wenn die eigentliche Kernqualität des Kollegen, in diesem Fall die „Präzision“ zu stark ausgeprägt ist, bzw. die Überhand gewinnt.

Mit Hilfe des Kernquadrates lässt sich nun analysieren, welche Kernqualität oder auch Stärke hinter dem sogenannten „Fallstrick“ steckt.
Hinter dem Kontrollzwang des Kollegen aus dem Beispiel steckt die Stärke eines Menschen, der seine Aufmerksamkeit darauf richtet, alles richtig und präzise zu machen, perfekt eben. Und diesen Perfektionismus überträgt er auf andere und tappt damit in die „Falle“.

Anstatt nun den Kontrollzwang zu bemängeln und mit dem Kollegen in Streit zu gehen, ist es zielführender, die Kernqualität des Kollegen zu erkennen und anzuerkennen, also in dem Fall die Präzision, den besonders scharfen Blick des Kollegen. Damit wird dieser in seiner Stärke gesehen, eine gute Voraussetzung für ein Gespräch über die „gesunden“ Grenzen der Kernqualitäten.

Das Beispiel ist übertragbar auf andere Fallstricke wie Quengelei, Hektik, Sprunghaftigkeit, Chaos, Nachlässigkeit, Fatalismus, Größenwahn, Phobie, Rückzug, Drama etc.

So steckt hinter dem Fallstrick Quengelei die Kernqualität Tatkraft, hinter Hektik der Enthusiasmus, hinter Sprunghaftigkeit die Flexibilität, hinter Chaos die Kreativität, hinter Nachlässigkeit die Geduld, etc.

Die Auseinandersetzung mit den Kernqualitäten schärft den Blick auf das Positive unserer Mitmenschen ohne das „zuviel davon“, den Fallstrick einfach so hinzunehmen.

Das Kernquadrat ist somit ein geeignetes Werkzeug zum Entdecken der Stärken der Kolleg_innen und Mitarbeiter_innen sowie natürlich auch der eigenen. Das Entdecken der eigenen Kernqualitäten gestaltet sich jedoch wesentlich schwieriger, da uns unsere eigenen Kernqualitäten oft gar nicht bewusst sind, da sie für uns selbst selbstverständlich sind. Doch davon und von der Bedeutung der Herausforderung und der Allergie später mehr….

Sabine Lipski

Quelle: Ofman, D.: Inspiration and Quality in Organizations (1993)