Erschaffung agiler Organisationseinheiten oder Unternehmen – Anspruch und Wirklichkeit

Im April-Impuls haben wir uns mit dem „Wozu“ agiler Organisationen und Unternehmen beschäftigt. Die zunehmende Komplexität und der rasante demografische und digitale Wandel erfordern eine zunehmende Anpassungsfähigkeit im wirtschaftlichen Kontext. Hier kommen New Work und Agilität ins Spiel. Zielsetzung ist hierbei eine optimale Reaktionsgeschwindigkeit auf die Entwicklung des Marktes zu realisieren –hin zu einer proaktiven Antizipation auf Trends und Bedürfnisse.

In diesem Impuls geht es um die Herausforderungen bei der Einführung von agilen Prinzipien und der Erschaffung agiler Organisationseinheiten oder Unternehmen im realen Arbeitsalltag. Welche Grundlagen sollten vorhanden sein oder erschaffen werden? An welche typischen Grenzen stoßen Organisationen dabei?

Aller Anfang ist schwer

In unserer Arbeit begleiten wir zunehmend Mitarbeiter und Führungskräfte bei der Einführung und Anpassung einer agilen Kultur. Auffällig ist, dass die eigentliche Zielsetzung von diversen Beteiligten unterschiedlich verstanden und interpretiert wird. Jeder scheint unter agilem Arbeiten etwas anderes zu verstehen. Manche Mitarbeiter_innen glauben z.B.: „der Chef lässt mich jetzt in Ruhe“, andere finden: „nun muss ich alles alleine machen“. Manche Führungskräfte meinen: „das müssen die Mitarbeiter jetzt allein hinbekommen“ andere wiederum: „mein Team darf jetzt und soll frei entscheiden“.

Begibt sich ein Unternehmensbereich nun auf den Weg, ohne die unterschiedlichen Vorstellungen einfließen zu lassen, sind Widerstände und Scheitern vorprogrammiert. Denn in der Regel bedeutet das Einführen agiler Prinzipien eine Veränderung für alle Mitarbeitenden. Und wie wir aus dem Chance Management bereits wissen, führt dies anfangs zu entsprechender Verunsicherung und Ablehnung. Um eine erforderliche Akzeptanz alle Betroffenen zu erreichen, gilt es bereits bestimmte Voraussetzungen zu etablieren und entsprechende Bedingungen einzuhalten.

Psychologisches Empowerment

Da dieselben Bedingungen von den verschiedenen Akteuren unterschiedlich interpretiert werden, gilt es diesen Zustand konsequent von Anfang an zu berücksichtigen. Hier eignet sich der psychologische Empowermentansatz, der einen geeigneten Rahmen für den angestrebten Veränderungsprozess ermöglicht. Um psychologisches Empowerment zu realisieren, sich also mental-emotional auf die Herausforderungen der „Neuen Arbeitswelt“ einlassen zu können, bedarf es bestimmter Bewertungen der eigenen Arbeitsrolle.

Die 4 Säulen für psychologisches Empowerment**:

  1. Kompetenz erleben der eigenen Arbeit
  2. Bedeutsamkeit bzw. Sinnhaftigkeit erleben der eigenen Arbeit
  3. Selbstbestimmung bzw. der wahrgenommene Grad an Autonomie bei der Ausführung der eigenen Arbeit
  4. (Wahrnehmung von) Einfluss auf die eigene Arbeit

Menschen, die diese Aspekte in ihrem alltäglichen Tun erleben, zeigen eine gesteigerte Arbeitszufriedenheit und -leistung, eine gefestigtere Bindung ans Unternehmen, eine ausgewogenere Arbeitsbelastung und eine geringe Erschöpfungsanfälligkeit. Im Umkehrschluss sind diese Mitarbeiter kreativer und innovativer in ihrer Arbeit.
Diese Säulen fungieren als Voraussetzung für jede Form der Veränderung in Richtung New Work.

Und hier besteht aus unserer Sicht der dringendste Handlungsbedarf. Agilität scheitert oftmals nicht an „Agil Ja oder Nein“, sondern an dem Fehlen der entsprechenden Voraussetzungen. Um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Weg in agile Strukturen zu gewinnen, gilt es also beim Erschaffen agiler Organisationseinheiten oder Unternehmen diese Grundprinzipien sicherzustellen.

Hierbei kommt der Führung eine besondere Rolle zu.

Agiles Führen

Grundsätzlich hat die Beziehungsqualität zur Führungskraft maßgeblichen Einfluss auf die Performance der Mitarbeitenden. *** In der agilen Arbeit gilt dies umso mehr.
Wenn Organisationseinheiten selbstorganisiert wirken und produzieren sollen, ist es Aufgabe der Führung, die dafür benötigten Rahmenbedingungen zu erschaffen und – noch viel wichtiger: lebendig zu halten. Der Anspruch der Selbstorganisiertheit der Mitarbeiter erfordern das Vorliegen eines konkreten Auftrags bzw. Ziels und das Vorhandensein der erforderlichen Ressourcen im Team. Dies wiederum bedeutet, dass es im Kern darum geht, die gemeinsamen Möglichkeiten und Kräfte im Team optimal zu nutzen. In Folge dessen ist es Aufgabe der Führung, die Möglichkeiten des Einzelnen und des Teams im Ganzen zu erfassen oder zu erschaffen und ideal auszurichten.

Agile Führung ist somit eher eine Teamentwicklung und stellt das Team in den Mittelpunkt. Der Personalauswahl kommt demzufolge eine besondere Bedeutung zu. Dazu mehr unter Agiles Recruiting. Führungskräfte können zudem steuern über die Gestaltung des Arbeitsplatzes und die Anpassung des Team- und Organisationsklimas.**** Messbare Kriterien sind bereits in Vision, Mission und strategischen Unternehmenszielen festzuhalten.

Darüber hinaus ist es Aufgabe der agilen Führung, bei der Erschaffung agiler Organisationseinheiten oder Unternehmen die Mitarbeitenden so zusammenzustellen, dass eine gemeinsame Entwicklung wahrscheinlich und auch möglich ist. Konkret heißt dies, gezielte Auswahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das Beseitigen von Hindernissen im Arbeitsalltag der Beschäftigten, Förderung von Selbstverantwortung und das Bereitstellen erforderlicher Instrumentarien für eine produktive Leistungserbringung und eine förderliche Teamkultur. Führung bedeutet hier Steuern –weniger vorangehen, mehr den Rücken freihalten und den Rahmen organisieren. Eine agile Führungskraft versteht sich somit als authentischer Dienstleister für seine Mitarbeiter_innen.

Wieviel Agilität brauchen wir?

Nicht überall ist Agilität sinnvoll! Um das Für und Wider einer agilen Struktur tragfähig entscheiden zu können, gilt es die jeweiligen Unternehmensbereiche im Vorfeld zu sondieren. Hierbei sind die Kernaspekte der zukünftigen Entscheidung zu berücksichtigen. Vor Einführung agiler Teams ist es also essentiell, dass sich die Führungskräfte mit den Grundgedanken des agilen Vorgehens vertraut machen und zunächst festlegen, wo im Unternehmen der Einsatz agiler Teams sinnvoll und anschlussfähig ist -wo also ein echter Nutzen zu erwarten ist.

Folgende Leitfragen haben sich bei der Erschaffung agiler Organisationseinheiten oder Unternehmen als besonders hilfreich erwiesen*:

  • Wo wird bereits „agil“ gedacht und gearbeitet, ohne dass es jemand so nennt?
  • Welche unserer Leistungsträger können wir für ein agiles Team gewinnen? Wo gibt es Neugier und Offenheit für neue Formen der Zusammenarbeit, die uns in die Hände spielt?
  • Welche Auswirkungen hat die Einführung von Agilität auf angrenzende Bereiche?

Diese Fragestellungen verdeutlichen unter anderem, sich auch Gedanken darüber zu machen, wie die Schnittstellenarbeit agiler Organisationseinheiten vonstattengehen soll.

Wenn es den konkreten Bedarf nach Umstrukturierung hinzu einem agilen Team gibt, stellt sich nur noch die Frage: Wann ist ein Team agil?

Agile Teams

Definitionen zu agilen Teams gibt es viele, auf den Punkt bringt es der systemische Organisationsberater Jörg Bahlow: „…das agile Team arbeitet hoch fokussiert, bekommt eindeutige Prioritäten gesetzt und vergewissert sich in kurzen Abständen, ob Richtung und Ergebnisse stimmen. Da weiß jeder, was der andere tut. Offenes Feedback und schnell sichtbare Erfolge sorgen für Spaß am Vorankommen.“*****

Des Weiteren gibt es in agilen Teams einen hohen Grad an Selbstorganisiertheit –inklusive der internen eigenen Beurteilung zu Machbarkeit von Zielen. Das Team bewertet also selbstständig inwieweit und bis wann die Aufgabenstellungen umsetzbar sind. Im Anschluss erfolgen die Anpassungen an die Projektgegebenheiten****** und idealerweise ein gemeinsames verbindliches Commitment hierzu.

Hört sich super an! Oder? Also einfach loslegen…?

Genau hier zeigt sich die größte Herausforderung in Bezug auf die Erschaffung agiler Organisationseinheiten oder Unternehmen und dem agilen Arbeiten. Die eigenverantwortliche Vorgehensweise von Mitarbeitern und ganzen Teams und Abteilungen ist nur wirksam möglich, wenn die Führung die angesprochenen Strukturen und das benannte Klima erschaffen hat. Die Umsetzung gewünschter Eigenorganisation wird zudem nur gelingen, wenn die Betroffenen auf diesem Weg mit eingebunden und Mitarbeiter zu Chance Prozessen ermutigt werden.

Transparentes Vorgehen im Vorfeld ist die Grundvoraussetzung. Allerdings bleibt Transparenz auch ein elementarer Wert innerhalb des agilen Wirkens. Wenn das Team sich mit zunehmendem Maß selbst steuern will, muss jeder wissen, was der andere gerade tut. Und diese Transparenz wird nur gelingen, wenn eine Kultur des Vertrauens existiert. Dies beinhaltet auch den Mut zu Konflikten –statt blinder Harmonie.

Im agilen Arbeitsalltag werden Ergebnisse permanent in kurzen Abständen bewertet und bei Bedarf Korrekturen vorgenommen. Eine Voraussetzung hierfür ist eine förderliche Haltung zu Fehlern und zum Austausch darüber. Im Vergleich zu „normaler“ Teamarbeit rückt das ICH in Bezug auf das TEAM-Ergebnis noch weiter in den Hintergrund. Parallel steigt jedoch die Eigenverantwortung für den geleisteten Anteil am produzierten Ergebnis.

Bei bereits bestehenden Teams kann mittels einer Teamtypenanalyse der Status quo im Einzelnen erfasst und ein eventueller Bedarf eruiert werden. Im Anschluss erfolgen dann die jeweiligen Korrekturmaßnahmen. Deshalb liegt der Schwerpunkt der Führungsarbeit auf der Teamentwicklung.

Und deshalb ist eine smarte Personalauswahl unerlässlich.

Recruiting in Zeiten der Agilität

Agile Unternehmen streben danach, Veränderungen rechtzeitig zu antizipieren und den Wettbewerbern einen Schritt voraus zu sein. Sie sind selbst agierend & innovativ und wollen als Organisationseinheit fähig sein, sich anzupassen, kontinuierlich zu lernen und dieses Wissen allen relevanten Beteiligten zur Verfügung zu stellen.
Folglich bedarf es der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, welche Neugier, Lern- und Verantwortungsbereitschaft mitbringen. Des Weiteren gilt es die Mitarbeiter_innen auszuwählen, die bereit sind, eine Kultur des Vertrauens und der stetigen Entwicklung zu erschaffen und zu leben. Dazu gehört auch der Wille, sich regelmäßig Feedback zu holen und zu geben. Dies betrifft den Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin und die Führungskräfte gleichermaßen. Kooperation statt Konkurrenz, Lösungsorientierung statt Kompetenzgerangel, Bereitschaft für Veränderungen statt Überleben in der Komfortzone, verantwortliches Entscheiden statt bloßes Ausführen oder Erteilen von Anweisungen.

Bei der Erschaffung agiler Organisationseinheiten oder Unternehmen gilt es, diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen zu identifizieren bzw. für das Unternehmen zu gewinnen. Dementsprechend sind der Recruiting- und Einstellungsprozess unter Beachtung dieser Kriterien zu gestalten. Die Suche nach dem richtigen Personal sollte sich daher weniger auf den „zur Stelle passenden“ Mitarbeitenden fokussieren, sondern auf den, der das Team optimal ergänzt. Hierbei helfen entsprechende Tools zur Profilerstellung der Kandidaten und Entwicklungsmaßnahmen zur Steigerung des Vertrauens und der Wertschätzung untereinander.

Lassen Sie sich von Experten begleiten!

Wenn Sie Agilität erfahren möchten oder schon mittendrin stecken und an Grenzen stoßen, nutzen sie die Erfahrung geeigneter Prozessbegleiter. Wir von c-s-x ermöglichen Ihnen einen maßgeschneiderten Übergang in die „Neue Arbeitswelt“ – und das machen wir wie immer: humorvoll. mutig. wirksam.

Maik Dietrich, Personal-und Organisationentwickler bei c-s-x

Quellen:
* Agiles Arbeiten – woher nehmen und nicht stehlen?, Jörg Bahlow, Gerhard Kullmann auf
businessvillage.de/Warum-agile-Teams-einfach-mehr-koennen/mag-1707.html
** Prof. Dr. Carsten C. Schermuly in „New Work – Gute Arbeit gestalten: Psychologisches Empowerment von Mitarbeitern“, 2016, 1.Auflage, S. 49 ff.
***Jasmin Wenzel, i-potentials.de/de/new-work/
**** Schermuly C.C. (2016) Empowerment: Die Mitarbeiter stärken und entwickeln. In: Felfe J., van Dick R. (eds) Handbuch Mitarbeiterführung. Springer Reference Psychologie. Springer, Berlin, Heidelberg Handbuch Mitarbeiterführung pp 15-26
***** „Warum agile Teams einfach mehr können“, Jörg Bahlow, Gerhard Kullmann auf businessvillage.de/Warum-agile-Teams-einfach-mehr-koennen/mag-1707.html
****** swissagilestudy.ch/files/2016/01/AgileKollaboration-Studienbericht-2015.pdf, S.5,6